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Die
vorrömische Zeit - Jäger, Sammler und Pfahlbauer
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Die
frühesten menschlichen Spuren in der Schweiz gehen auf die Altsteinzeit
zurück. In der Höhle von Cotencher im Kanton Neuenburg (Neuchâtel) wurden
Schneidwerkzeuge aus Stein gefunden, die wohl dem Neandertaler (20.000
bis 4.000 v.u.Z.) gehört haben. Zudem finden sich aus der jüngeren Steinzeit
(bis ca. 3.000 v.u.Z.) Zeugnisse der nun seßhaften bäuerlichen Bevölkerung
an vielen Orten in der Schweiz. Während der Bronzezeit (ca. 3.000 bis
1.000 v.u.Z.) und der frühen Eisenzeit (ab ca. 1.000 v.u.Z.) wurden Wege
über die Alpen begangen und langsam entwickelte sich ein früher Handel.
In der folgenden La-Tène-Zeit kamen erste Münzen in Umlauf (ca. 800 v.u.Z.).
Die Fundstelle bei La Tène, nordöstlich von Neuenburg hat der ganzen zweiten
Periode der Eisenzeit ihren Namen gegeben. Im 1. Jh. v.u.Z. verläßt der
keltische Stamm der Helvetier seine Siedlungsplätze in Süddeutschland
und siedelt sich neu im Schweizer Mittelland an. Die Helvetier zogen auch
noch weiter nach Westen, bis sie auf die Römer stießen. Von Cäsars Armeen
wurden sie dann 58 v.u.Z. in das schweizerische Mittelland zurückgedrängt.
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Die
römische Zeit 58 v.u.Z. bis 400 - Caesar et consortes |
Die
keltische Bevölkerung nahm schnell römische Kultur und Lebensart an und
durchlebte in den beiden ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung eine
friedliche und materiell gesicherte Zeit. Ein vorzügliches Straßennetz,
dessen Überreste sich heute überall in der Schweiz finden, führte über den
Großen Sankt Bernhard Pass im Westen und über die Bündner Pässe (Julier,
Splügen, Oberalp) im Osten nach Rom, dem Mittelpunkt der damaligen Welt.
Ein lebhafter Handel mit Rom blühte auf. Städte entstanden: Augusta Raurica
(Augst, bei Basel) und das prächtige Aventicum (Avenches, halbwegs zwischen
Bern und Lausanne) als Hauptstadt der römischen Schweiz. Seine noch heute
sichtbaren Stadtmauern konnten 50.000 Einwohnern Schutz bieten. Heute lebt
ein Bruchteil dieser Zahl in Avenches!
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Der
Weg zur Viersprachigkeit |
Die
Friedenszeit endete mit dem Einfall germanischer Stämme ins Römische Reich.
Im Jahre 260 überwanden erstmals Alemannen den Limes, die befestigte Nordgrenze
des römischen Imperiums, und zogen südwärts. Nur für eine kurze Zeit konnten
die Römer ihre Grenze längs des Rheins und der Donau noch halten. Helvetien
und Rhätien verarmten zu Grenzprovinzen unter Militärhoheit. Um 400 mußte
Rom seine jenseits der Alpen liegenden Gebiete räumen. Während der Völkerwanderungszeit
fiel der westliche Teil des Imperiums an die germanischen Eroberer, die
vorher regen Handelsbeziehungen zum Mittelmeerraum kamen zum Erliegen. Burgunder,
die bereits das Christentum angenommen hatten, siedelten im westlichen Teil
der Schweiz und übernahmen dessen Sprache, das Latein. Ähnliches geschah
mit den lombardischen Stämmen (Langobarden), die sich in der südlichen Schweiz
niederließen und die bestehende Kultur kaum beeinflußten. Die größte Zahl
der Neueinwanderer aber stellten die heidnischen Alemannen zwischen Rhein
und Aare dar. Ihnen gelang es aber nicht in Rhätien, dem späteren Graubünden,
einzudringen. Die dort ansässigen römischen Rhätier leisteten Widerstand,
nachdem sie selbst sich über große Teile der Ostschweiz, Südtirols, Vorarlbergs
und Friauls ausgebreitet hatten. Später, im Mittelalter, zogen sie sich
in die Hochtäler der bündnerischen Alpen zurück und lebten dort relativ
unbehelligt. Ohne diese Überlebenstaktik wären die Rhätoromanischen Dialekte
von den sie umgebenden größeren Sprachgruppen zum Verschwinden gebracht
worden. Somit war der Grundstein für die heutige Viersprachigkeit der Schweiz
gelegt: Im römisch-burgundischen Teil (heute Romandie genannt) entwickelte
sich aus dem Vulgärlatein ein Franko-Provenzalischer Dialekt. Das von den
Alemannen gehaltene Land wurde bis 900 vollständig deutschsprachig (Althochdeutsch,
ab 8. Jh. Oberdeutsch). Die Stämme in den Tälern südlich der Alpen hielten
an ihren Gallo-Italienischen lombardischen Dialekten fest, während sich
das Rhätoromanisch mit seinen verschiedenen Dialekten in Graubünden bewahrte.
Die Franken besiegten im 6. Jh. sowohl die Alemannen als auch die Burgunder.
Die beiden Teile wurden aber wieder getrennt bei der Teilung des Reichs
von Karl dem Großen im Jahre 870. Zwischen dem 9. und dem 14. Jh. wurden
unzählige Schlösser, Burgen, Klöster und befestigte Städte errichtet. Einige
typische Beispiele haben die Zeiten überlebt: Die karolingischen Fresken
in der Klosterkirche von Müstair (Münster, GR); aus dem 10. Jh. die cluniazensischen
Abteien von Romainmôtier und Payerne, das Züricher Großmünster und die Kathedralen
von Basel und Schaffhausen als Muster romanischer Baukunst in der Schweiz.
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Die
mittelalterliche Feudalherrschaft - Städte und Städtebünde |
Im
Mittelalter wurde das Gebiet der Schweiz mit der Einverleibung Burgunds
(1032) Teil des Heiligen Römischen Reiches. Der Niedergang der kaiserlichen
Macht erlaubte es aber verschiedenen Herrscherhäusern, wie den Zähringern,
den Grafen von Savoyen, den Kyburgern und den Habsburgern, größere Gebiete
an sich zu ziehen und bis zum 13. Jh. als Landesherren aufzutreten. Inzwischen
hatten, wie im übrigen Deutschland auch, die Städte Bern und Zürich den
Status Freier Reichsstädte erhalten und von der geographischen Distanz zum
fernen Herrn, dem Kaiser, profitiert. Die kleinen, abgelegenen Talschaften
in den Alpen waren seit jeher selbständig und frei. Auf diese Weise konnten
die sogenannten "Waldstätte" um den Vierwaldstättersee ohne Schwierigkeit
einen symbolischen Eid der Untertanentreue auf ihren Herrn leisten. Die
schon vorher bestehende direkte Reichsfreiheit von Uri wurde formell bereits
1231 vom Kaiser bestätigt, weil dieses strategisch wichtige Gebiet am Zugang
zur St. Gotthardroute liegt.
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Die
Gründung der Eidgenossenschaft |
Diese
relative Unabhängigkeit schien in Gefahr, als das österreichische Haus Habsburg
begann, in seinen Gebieten zur Wahrung seiner Einkünfte und Rechte, auswärtige
Verwalter, sog. Vögte, einzusetzen, ohne auf lokale Gegebenheiten Rücksicht
zu nehmen. Es kam zu Unruhen in den habsburgischen Gebieten. Die Lage spitzte
sich noch weiter zu, als der Habsburger Rudolf IV. 1273 zum deutschen König
gewählt wurde. Weil er aber in Auseinandersetzungen im fernen Böhmen verwickelt
war, kehrte in den 70er Jahren Ruhe in den Waldstätten ein. Erst mit dem
Tod Rudolfs 1291 wurde die politische Lage wieder bedrohlich, da die Wahl
des deutschen Königs umstritten war. Vertreter der drei Waldstätte Uri,
Schwyz und Unterwalden schlossen ein Bündnis, das "so Gott will, auf ewig
Bestand haben soll". Dieser Beistandspakt zielte nicht auf Ungehorsam den
eigenen Herren gegenüber ab, sondern auf die von außen aufgezwungene Verwaltung
und deren Richter. Er wird als eigentlicher "Geburtsschein" der Eidgenossenschaft
angesehen. Aufbewahrt wird das Dokument im Bundesbriefarchiv in Schwyz und
das auf ihm vermerkte Datum des 1. August wird heute als Schweizer Nationalfeiertag
begangen.
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Freiheitserwachen |
Diese
Entwicklung allein wäre in der feudalen Gesellschaft der damaligen Zeit
höchstens mit Überraschung zur Kenntnis genommen worden. Ihre Glorifizierung
zum Freiheitskampf erfuhr sie erst durch spätere Chroniken (um 1470 im Weißen
Buch von Sarnen) und durch literarische Überarbeitungen. Die Tellslegende
stellt eine Umsetzung der Freiheitsbewegung dar und auch eine Rechtfertigung
des Aufstandes der Waldstätte, welcher in der förderalistischen Gesellschaft
von damals eine Ausnahmeerscheinung bildete. Bekannt ist Schillers Tell-Drama
von 1804, die zum Allgemeingut deutscher Literatur gehört. In ihm ist die
langsam gewachsene historische Situation dramatisch zugespitzt. Statt der
zwischen Gewaltakten und zähen Verhandlungen hin und her wechselnden Politik
wird die offene Revolte der drei Gebiete Uri, Schwyz und Unterwalden (Waldstätte)
dargestellt, deren 33 Vertreter auf der Rütliwiese (gegenüber Brunnen) einen
feierlichen Schwur ablegen. Wilhelm Tell, durch den Landvogt Gessler zum
"Apfelschuß" verurteilt, wird zum rächenden Arm der Verschwörung, indem
er den verhaßten Tyrannen in der Hohlen Gasse bei Küssnacht am Rigi mit
der Armbrust erschießt und so den Weg für die Freiheit und zu einem neuen
Zeitalter der Freiheit des Einzelnen freimacht.
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Die
Erweiterung der Eidgenossenschaft |
1332
verbündete sich das bisher habsburgische Luzern mit den Waldstätten, um
sich von seinen Stadtherren zu befreien. Es folgten ihm Glarus und Zug 1352.
Zürich hatte eine von den Zünften angeführte Revolution hinter sich und
befürchtete eine Rückkehr der Adligen. Es schloß sich 1351 den Waldstätten
an. Bern kam 1353 hinzu und hielt sich so den Rücken frei für sein Bündnissystem
im Westen der Schweiz. Die Eidgenossen errangen einige glänzende Siege über
die Habsburger und deren adlige Verbündete, so bei Sempach 1386 und Näfels
1388. Dies zu einer Zeit da der Schwäbische Städtebund in Süddeutschland
unterlag. Das Bündnis der "Acht alten Orte", in Wirklichkeit ein Konglomerat
von Verträgen zwischen den verschiedenen Partnern, manchmal von nur drei,
vier oder fünf Orten, blieb sehr locker. Es führte aber dennoch dazu, daß
sich am Ende des 14. Jh. ein selbständiges staatliches Gebilde innerhalb
des Römischen Reiches abzeichnete. Einzigartig für diese Zeit war, daß sich
nach der Vertreibung der Habsburger und der Schwächung des einheimischen
Adels eine Bürgergesellschaft bildete. Macht und Boden gingen von den Adligen
an Städte und Zünfte und an die bäuerlichen Landorte über. Von ihren militärischen
Erfolgen angespornt strebten die eidgenössischen Orte nach territorialer
Expansion. Die Siege der eidgenössischen Fußheere über Karl den Kühnen von
Burgund bei Grandson, Murten und Nancy (1474-77) trugen zum Ruhm eidgenössischer
Waffenkunst bei. Freiburg, Solothurn, Basel, Schaffhausen und Appenzell
erweiterten die Acht-Örtige Eidgenossenschaft zu einer Dreizehn-Örtigen.
Nach dem Schwabenkrieg 1499 gegen Kaiser Maximilian I. von Österreich erlangte
die Eidgenossenschaft ihre Unabhängigkeit vom Römischen Reich. 1513 waren
die Eidgenossen auf dem Höhepunkt ihrer Macht. Sie waren sogar Schutzherren
des Herzogtums Mailand. In der Schlacht von Marignano 1515 unterlagen sie
aber einer Übermacht französischer und venezianischer Truppen. Diese Niederlage
führte dazu, daß sich die Eidgenossen von den internationalen Schauplätzen
zurückzogen, ihre Expansionspolitik einstellten und ihre Neutralität erklärten.
Nichtsdestotrotz dienten aber Schweizer Söldner noch während der nächsten
Jahrhunderte in fremden Armeen, oft sogar auf beiden Seiten der Kriegführenden!
Als Relikt aus dieser Zeit verfügt der Vatikan heute noch über eine Schweizer
Garde! Erst nach 1709, als im spanischen Erbfolgekrieg große Schweizer Regimenter
gegeneinander kämpften, nahm das Söldnerwesen ab.
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Die
Reformation in der Schweiz - Die Reformatoren Zwingli, Calvin, Farel |
In
der Schweiz wurde die Reformation vor allem von Zürich aus durchgeführt.
Huldrich Zwingli (1484-1531) war am dortigen Großmünster als sogenannter
"Leutpriester" tätig. 1525 nahm der Zürcher Große Rat Zwinglis Forderungen
einer Kirchenreform und nach politischen und wirtschaftlichen Veränderungen
(Säkularisation der Klöster, Reform von Zins- und Bodenrecht etc.) an. Durch
die Reformation wurden die bürgerlichen, städtischen Zünfte vor allem gestärkt.
Die ländliche Wiedertäuferbewegung (ab 1535 auch die Mennoniten), die darüber
hinaus neben der Leibeigenschaft auch noch Zins- und Zehntverpflichtungen
aufheben wollte, wurde daher grausam verfolgt und die ländlichen Gebiete
unter strenge Vorherrschaft der Städte gebracht. In den Untertanengebieten
wurden die aufbrechenden Bauernunruhen niedergeschlagen. Die Reformation
breitete sich rasch aus. In den meisten Fällen standen die städtischen Zünfte
als treibende Kraft hinter dem neuen Glauben. Nur dort, wo sie keine eigentliche
Macht darstellten, wie in Luzern, Zug, Solothurn und Freiburg, unterblieb
die Reformation. Der größte Widerstand erwuchs dem neuen Glauben in der
Zentralschweiz und diese Kantone blieben katholisch. 1528 entschloß sich
auch die mächtige Stadt Bern zum Übertritt ins reformierte Lager. Von da
an wurde die Reformation mit Waffengewalt auch in der Westschweiz durchgesetzt.
1536 nahm der Reformator Jean Calvin (1509-1564) in Genf Wohnsitz und zur
gleichen Zeit brachte Bern die savoyischen Gebiete der Westschweiz unter
seine Kontrolle. Die Reformation spaltete die Schweiz in zwei Lager. Einerseits
fanden sich die katholischen Kantone mit einem Drittel der Bevölkerung,
auf der anderen Seite standen die Städte mit ihrem Burgrecht und den wirtschaftlichen
Zentren im Lande. Sie machten zwei Drittel der Bevölkerung aus. Die Gegensätze
zwischen der vorwiegend reformierten Schweiz und seinen katholischen Nachbarn
in Deutschland führte über die Jahre zum Verlust des Zusammengehörigkeitsgefühls
und schließlich zum Bruch zwischen der Eidgenossenschaft und dem Reich.
De iure wurde diese Trennung im Westfälischen Frieden von 1648 festgeschrieben.
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Das
Ancien Régime - Erstarrung in einem patrizischen Regime im 17. / 18. Jh. |
Die
Schweiz wurde vom Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) und von den folgenden
Kriegen der absolutistischen Herrscher Europas verschont. Das politische
Leben in den acht städtischen und den fünf ländlichen Kantonen der Alten
Eidgenossenschaft erstarrte aber. Die Regierungsgewalt wurde von immer
weniger Familien ausgeübt. In den Kantonen, die bis dahin durch die Landsgemeinde
geführt wurden, versuchten die Behörden die Volksrechte einzuschränken.
Sie konnten zwar die Landsgemeinde nicht abschaffen, besetzten aber immerhin
die Mehrzahl der Ämter mit Familienangehörigen. Der Brauch der Volksbefragung,
der während der Reformation überaus häufig war, verschwand gänzlich im
17. Jh. Bauernunruhen wurden 1653 niedergeschlagen. Auch religiöse Zwistigkeiten
wurden in der damaligen Schweiz noch ausgefochten (Villmerger Kriege von
1656 und 1712) und führten jeweils zu Neuordnungen in den gemeinsam verwalteten
Untertanengebieten. In dieser Zeit wurden die katholischen Orte zudem
in ein gefährliches Abhängigkeitsverhältnis zu Frankreich gezogen. Immerhin
konnten die Eidgenossen sich auf ein Schlichtungsverfahren einigen, auch
wenn die Glaubensgegensätze damit nicht aus dem Weg geräumt waren.
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Das
18. Jahrhundert - Die Industrialisierung |
Die
politischen Verhältnisse änderten sich bis 1798 kaum. Ein reaktionärer
Kastengeist herrschte in den Kantonen vor. Im sozialen und wirtschaftlichen
Bereich hingegen kam es zu tiefgreifenden Umwälzungen. Die Bevölkerung
wuchs zwischen 1700 und 1800 von 1,2 auf 1,6 Millionen Einwohner. Zuwachsraum
waren vor allem die ländlichen Gebiete. In den nördlichen und östlichen
Teilen der Schweiz kam vor allem die Textilverarbeitung in Schwung. Das
Spinnen, Weben und Bedrucken von Baumwollstoffen, die Seidenstoffweberei
und -stickerei verschaffte vor allem den arbeitslos gewordenen Tagelöhnern
und Kleinbauern neuen Verdienst. Im Jura entwickelte sich eine Uhrenindustrie,
die vor allem von Heimwerkern betrieben wurde. Die Schweiz entwickelte
sich im 18. Jh. zu einem Industriestaat und war nach England das meist
industrialisierte Land Europas. Auch die Wissenschaften waren im Umbruch.
Wissenschaftler wie Johann Bernoulli (1667-1748), Leonhard Euler (1707-1783)
und Albrecht von Haller (1708-1777) trugen das Ihre zum geistigen Aufschwung
bei. Erziehungsexperimente und Schriften von Johann Heinrich Pestalozzi
(1745-1827) machten ihn weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt.
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Zusammenbruch
der Alten Eidgenossenschaft - Der lange Weg zum neuen Bundesstaat |
Die
Eidgenossenschaft blieb im ersten Koalitionskrieg gegen das revolutionäre
Frankreich neutral. Nachdem aber Napoleon Frankreichs Vorherrschaft in Norditalien
errichtet hatte, nahm der militärische Druck auf die Schweiz zu. Die Alpenpässe
waren für die französischen Armeen von strategischer Bedeutung, da sie den
direkten Zugang von Paris nach Mailand bilden. Französische Revolutionstruppen
besetzen das bernische Waadtland am 28. Januar 1798. Die eidgenössische
Tagsatzung war sich nicht einig über eine geschlossenen Haltung gegenüber
dieser Invasion. Der Stadtstaat Bern mußte allein den Invasoren Widerstand
entgegen setzen. Am 5. März 1798 wurden die bernischen Truppen nördlich
der Stadt beim Grauholz besiegt und die französischen Armeen rückten in
die Stadt Bern ein. Ein langer und mühsamer Weg führte von da an zur Gründung
des Bundesstaates von 1848. Die Ereignisse von 1798 führten in eine 50-jährige
Krise, während der konservative und progressive Kräfte wiederholt zur Waffengewalt
griffen, um die anstehenden Gegensätze zu lösen. Die Dreizehn Alten Orte
wurden durch sechs neue Kantone ergänzt, die vordem als Untertanengebiete
oder Gemeine Herrschaften (gemeinsam verwaltete Untertanengebiete) bestanden
hatten, Aargau, Thurgau, Tessin und Waadt. Hinzu kamen als neue Kantone
auch die früher nur alliierten Orte ("Zugewandte") Sankt Gallen und Graubünden.
Nach der Niederlage Napoleons beschloß der Wiener Kongreß 1815 den Staatenbund
souveräner Kantone wiederherzustellen. Drei neue Kantone, Genf, Wallis und
das preußische Neuenburg wurden hinzugefügt. Der Kongreß beschloß zudem,
den Jura, den früheren reichsfreien Staat des Fürstbischofs von Basel, dem
Kanton Bern zuzuschlagen als Kompensation der Gebietsverluste Berns im Westen,
der Waadt, und im Aargau. Die Julirevolution von 1830 in Paris brachte auch
der Schweiz eine grundlegende Veränderung. Eine liberale Bewegung begann
sich zu entwickeln und die aristokratischen Regimes verloren nach und nach
ihre Macht. Einzig in den katholischen innerschweizer Kantonen hielten sich
die konservativen Kräfte. Sie bildeten einen militärischen Verteidigungspakt,
den Sonderbund. Auf dem Hintergrund einer schweren wirtschaftlichen Krise
kam es dann zu einer Auseinandersetzung. Die letzte Hungersnot in der Schweiz
von 1845, die wie im übrigen Europa auch, aufgrund von Kartoffelmißernten
entstanden war, trieb die Preise in die Höhe und ein starker wirtschaftlicher
Rückgang erfaßte zugleich die Textilindustrie. Eine kurze militärische Kampagne
der reformierten städtischen Kantone zwang 1847 Luzern und die übrigen Sonderbundspartner
in die Knie. Die neue bundesstaatliche Verfassung brachte eine Reihe von
Bürgerrechten, wie die freie Wohnsitzwahl, Vereinsfreiheit und Gleichheit
vor dem Gesetz. Sie schützte die Rechte der Minderheiten, indem weitreichende
Zugeständnisse an die kantonale Souveränität gemacht wurden. Der Bundesstaat
von 1848 stand am Ende einer 18 Jahre dauernden heftigen Auseinandersetzung.
Auch 1850 war die Schweiz nach Großbritannien das am höchsten industrialisierte
Land Europas, wobei aber die Schweizer Industrie eine Kleinbetriebs- und
Heimarbeits-Struktur aufwies.
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Demokratisierung
und Neue Verfassung von 1874 |
Die
Vorherrschaft der Liberalen war lange Zeit nicht zu erschüttern. Die Gegner
kamen aus verschiedenen Lagern. Sowohl die katholischen Konservativen als
auch die alten aristokratischen Kräfte waren zu schwach. Erst die Opposition
von Handwerkern, Bauern, demokratischen Intellektuellen und föderalistischen
Konservativen brachte in den 60er Jahren genügend Druck für einen Wandel
zutage. 1869 gewannen die neuen demokratischen Kräfte in Zürich im Kampf
um eine neue Verfassung. Die Direktwahl der Regierung durch das Volk und
die Zustimmung des Volkes zu den Parlamentsbeschlüssen waren die Folge.
Die Erfolge der demokratischen Bewegung auch in den anderen Kantonen machten
eine Revision der Verfassung unumgänglich. 1874 wurde eine in großen Teilen
noch heute gültige Staatsverfassung in Kraft gesetzt.
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Industrieller
Wandel im 19. Jahrhundert |
Der
Ausbau der Überseeverbindungen und des Schienennetzes auf dem europäischen
Kontinent stürzte die Schweizer Landwirtschaft in den siebziger Jahren des
19. Jh. in eine tiefe Krise. Von 1870 an wurden billige Getreide aus Osteuropa
oder Übersee eingeführt. Die Bauern versuchten, mittels landwirtschaftlichen
Genossenschaften und gemeinschaftlichen Käsereien, dieser Entwicklung zu
begegnen. Anstelle der früheren Getreideexporte wurden nun Milchprodukte
(Käse, Kondensmilch, Schokolade) im Ausland verkauft. Die Uhren- und Seidenbandindustrie
hatten schon seit jeher ihre Erzeugnisse zu einem Großteil auch im Ausland
abgesetzt. Die lange wirtschafliche Depression, die 1874 begann, führte
auch zu einer Umverteilung der Gewichte. Die Textilindustrie verlor ihre
vorherrschende Stellung. An ihre Stelle traten die chemische Industrie und
der Maschinenbausektor. Obwohl die Schweiz weder über nennenswerte Bodenschätze
wie Kohle oder andere Rohstoffe verfügt, entstanden in diesen Sektoren Exportindustrien
mit internationaler Bedeutung. Die Chemiefirmen in Basel, die den Anfang
mit Teerfarbenchemie machten, und die Maschinenindustrie entwickelten sich
zu den bedeutendsten Exporteuren vor 1914. Der Bau der Eisenbahnen war eine
wichtige Voraussetzung dieser Entwicklung. Frankreich und Deutschland unterstützten
den Bau des 15 Kilometer langen Gotthardtunnnels (Eröffnung 1882). Zwischen
1844 und der Mitte der sechziger Jahre des 19. Jh. entstanden 1300 Kilometer
neue Eisenbahnstrecken. Bis 1885 kamen dann nochmals 1400 Kilometer hinzu.
Von 1885 bis 1914 wuchs das Netz dann nur noch um 700 Kilometer.
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Erster
Weltkrieg: Zeit der inneren Konfrontation |
Im
ersten Weltkrieg war die Schweiz nahe daran, ihre vielgepriesene Neutralität
aufzugeben. Die deutschsprachige Schweiz, als wirtschaftliches und bevölkerungsmäßiges
Übergewicht war pro Deutsches Reich eingestellt, nicht aber die Romandie
(französischsprachiger Teil) und der italienischsprechende Anteil des Landes.
Nachrichtendienste zugunsten des Reiches und verschiedene Armeeaffären machten
die Ausrichtung der Armeeleitung auf einen deutschen Sieg deutlich. Der
Bundesrat Hermann Hoffmann versuchte 1917 sogar, einen russisch-deutschen
Separatfrieden zu vermitteln und mußte nach dem Publik werden dieses Vorfalls
zurücktreten. Die Schweizer Wirtschaft profitierte vom Ersten Weltkrieg,
aber die Gewinne kamen nicht der Arbeiterklasse zugute. Die Mobilisation
der Milizarmee beeinflußte die Löhne (nach unten) und die Lebensmittelpreise
stiegen in der Kriegszeit um durchschnittlich 130%. Die Behörden zeigten
sich in der Folge durch die einsetzende Radikalisierung der Arbeiterschaft
verunsichert. Im November 1918 besetzte die Armee unter dem Vorwand, einem
Staatsstreich zuvorkommen zu müssen, Zürich. Die allgemeine Empörung darüber
führte zu einem landesweiten Generalstreik. Nach drei Tagen und der Drohung,
die Armee einzusetzen, brach der Streik zusammen. Aber er war nicht umsonst.
Eine Initiative zur Einführung des Proportionalwahlrechts wurde angenommen,
die 48 h Woche eingeführt, sowie kollektive Arbeitsverträge abgeschlossen.
Zudem wurden Altersvorsorge und Arbeitslosenfürsorge ausgebaut. Die Zwischenkriegszeit
war gekennzeichnet von einem schwachen Wirtschaftswachstum und der Verlagerung
des Gewichtes von den produktiven in den Dienstleistungssektor.
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Zweiter
Weltkrieg: Neutrale Insel im faschistischen Europa |
Im
II. Weltkrieg geriet die Schweiz weit mehr als im ersten unter ausländischen
Druck. Nach der Niederlage Frankreichs 1940 war sie ganz von den Achsenmächten
umschlossen. Die Nazis verhehlten ihre Abneigung nicht gegenüber einem
Staat, der durch seine kulturelle Vielfalt ihrer völkischen Lehre und
ihrer rassistischen Propaganda rein durch seine Existenz widersprach.
1940, als die Gefahr am größten war, machte sich in der Schweiz auch Anpasserei
an die neuen Herren Europas bis in die höchsten politischen Ränge bemerkbar.
Eine Zensur versuchte, journalistische Nadelstiche gegen das nazistische
Deutschland zu unterbinden, die Asylpolitik wurde auf massiven Druck Deutschlands
stark eingeschränkt. Das Verhalten der Schweiz im II. Weltkrieg war eine
Mischung aus taktischer Anpassung und demonstrativem Selbstverteidigungswillen.
Die Totalmobilisation und die Bereitschaft zur Landesverteidigung zwischen
1939 und 1945 haben in der damaligen Kriegsgeneration tiefe, zum Teil
glorifizierende Spuren hinterlassen.
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Ein
kurzer Blick auf die Schweiz nach dem Krieg |
Im
Bereich der politischen Beziehungen mit dem Ausland verhielt sich die
Schweiz nach dem II. Weltkrieg so zurückhaltend wie eh und je. Die Schweiz
trat nie den Vereinten Nationen bei, spielt aber eine sehr aktive Rolle
in den UNO-Unterorganisationen. Genf wurde zum europäischen Sitz der UNO.
Auch den Bestrebungen für eine europäische Integration stand die Schweiz
ablehnend gegenüber. Als 1949 der Europarat gegründet wurde, war die Schweiz
nicht mit dabei. Dagegen bildete sie 1960 mit anderen nicht-EWG-Staaten
die Europäische Freihandelszone EFTA, deren Zielsetzung nicht auf eine
politische Union hinlief. 1986 lehnten 75,7% der Schweizer Stimmberechtigten
einen Beitritt zur UNO ab. Diese Ablehnung läßt sich aber eher als eine
diffuse Angst vor Verlust von Selbstbestimmung und einem allgemeinen Malaise,
denn als fundierte politische Ablehnung interpretieren. 1992 wurde die
Mitarbeit in einem europäischen Wirtschaftsraum EWR knapp abgelehnt. Seit
den achtziger Jahren zeigte die Schweiz Tendenzen zur Stimmungsdemokratie,
die vor allem von den Massenmedien akzentuiert wird. Daß die Schweizer
Bürger in innen- und außenpolitischen Angelegenheiten das letzte Wort
haben, ist zwar eine Eigenheit des Schweizer Demokratieverständnisses,
führt aber in außenpolitischen Angelegenheiten zu Schwerfälligkeit und
Komplikationen, in innenpolitischen Auseinandersetzungen zu immer neuen
Polarisierungen. Die Schweiz ist heute im Umbruch und sucht ihre Identität
neu.
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